Die Kinderzeichnung zeigt die Herderschule Esslingen mit spielenden Kindern

Zur Geschichte der Herderschule

Hier finden Sie Informationen zur Geschichte der Herderschule Esslingen (Grundschule) und die Rede der Schulleiterin Margarete Teuscher zu ihrer Amtseinsetzung im Jahr 2010

 

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Geschichte

Herderschule: Der Name

Unsere Schule heißt seit 1945 Herderschule, dieser Name ist für uns Programm. Herder will zur Selbständigkeit erziehen; ihm geht es um die Fragen: Was bin ich – und was soll ich in der Welt? Sein Anspruch ist es, mit der Sprache seines Herzens Anteil zu nehmen – nicht zu belehren. Auf seinem Grabspruch findet sich unser Logo: Licht – Leben – Liebe. Für uns sind sie richtungweisend: liebevoll wollen wir hier miteinander umgehen, hell soll es sein und aufgeklärt; das Leben bleibt nicht vor der Schultür, wir leben und arbeiten hier gemeinsam.
Die Geschichte unserer Schule und ihres Namens ist sehr spannend …

Rede zur Amtseinsetzung zur Schulleiterin von Margarete Teuscher am 13. Januar 2010

Licht‐Leben‐Liebe

Auch ich möchte Sie und Euch sehr herzlich willkommen heißen in der Herderschule.

Dank: Ich hätte allen Grund, eine lange und ausführliche Dankesrede zu halten, weil ich sehr dankbar bin. Ich bin dankbar für die gute Aufnahme an der Herderschule, dankbar für das Zutrauen, das ich vor dieser Entscheidung, Schulleiterin zu werden, spüren durfte, dankbar für Zeit, die mir viele der hier Anwesenden immer wieder schenken, ja: und dankbar für dieses schöne Fest, das wir heute ohne Frau Hulayil, unsere Konrektorin, feiern müssen.

Frau Hulayil liegt im Krankenhaus und wird dort auch für längere Zeit bleiben müssen. Zum Glück haben wir bereits eine Vertreterin für ihre Klasse gefunden, Frau Dettmann, im Rektorat ist aus dem Doppel ein Trio geworden: Frau Mätzke und Frau Lang arbeiten mit mir zusammen – Sie können sich denken, dass ich dafür ganz besonders dankbar bin.

Jetzt hätten Sie und Ihr alle es verdient, dass ich noch genauer aufzähle, wem ich wofür dankbar bin – aber das werde ich nicht tun. Es reizt mich statt dessen, dem Namen Herder nachzuspüren, denn unsere Schule heißt seit 1945 so, damals war Theodor Heuss Kultusminister in BW.

Der damalige Bürgermeister Georg Deuschle hatte den Antrag gestellt, die Schule Herderschule zu nennen – und Hans-Schemm-Schule konnte die Schule wirklich nicht mehr heißen. Sicher ist der Name Herderschule nicht zufällig gewählt. Damals lag der Blick vielleicht auf den vielen Heimatvertriebenen aus dem Osten; die Gartenstadt wurde gebaut um Wohnraum zu schaffen, und auch in den Lerchenäckern wurde gebaut – da lag es vielleicht nahe, an Herder, den Ostpreußen, zu denken. Wahrscheinlich ist, dass Heuss gern den Namen Herderschule genehmigte, denn Theodor Heuss war es, der 1926 eine andere Schule mit eröffnete: das Landschulheim Herrlingen bei Ulm.

Anna Essinger (1879-1960) ist der Name der Schulgründerin, sie hatte sich lange in den USA, in Wisconsin aufgehalten und lernte dort nicht nur den Daltonplan und Helen Parkhurst kennen – sie beschäftigte sich auch intensiv mit Maria Montessori. Über Anna Essingers Erziehungskonzept: kooperatives und zunehmend selbständiges Lernen, Freie Arbeit, Beteiligung der Schülerinnen und Schüler an ihren Aufgaben, Lernen aus Notwendigkeit, keine Noten – lasse ich mich nicht weiter aus; wirklich wichtig sind mir die Worte, die Anna Essinger als Leitworte für ihre Schule wählte: „Lernen, Lachen, Lieben, Leben“. Wir erinnern uns: das war 1926.

1803 werden zwei dieser Worte in den Grabstein eines anderen gemeißelt: „Licht, Leben, Liebe“, das ist die Inschrift auf Herders Grabstein in Weimar. Ich komme darauf zurück. In Deutschland wurde es dann schon kurz nach der Schulgründung des Landschulheims Herrlingen aber erst mal dunkel: so emigrierte die Jüdin Anna Essinger mit einem Teil der Schüler 1933 nach England und gründete dort New Herrlingen; unsere Schule bekam bei der Einweihung des dritten Erweiterungsbaus im Jahr 1937 den Namen Hans-Schemm-Schule. Schemm war nicht nur Nationalsozialist, er gründete den NS-Lehrerbund.

Wenn 1945 Heuss dem Namen Herderschule zustimmte, so könnte er an diese Worte: Licht, Leben, Liebe und auch an Anna Essinger gedacht haben, möglicherweise hat er aber auch anderes mit Herder verbunden, der ja nicht nur Schriftsteller war und uns vielleicht zuerst an die Großen von Weimar erinnert: dort lebte, stritt, schrieb, feierte und diskutierte er mit Goethe, der Patenonkel einer seiner Söhne war, sondern auch Theologe und Schulmann. Den Schulmann Herder, den will ich Ihnen jetzt vorstellen.

Herder, 1744 in Mohrungen (im preußischen Oberland, östlich der Weichsel) geboren, war Lehrersohn und musste schon als Vierzehnjähriger dem Vater in der Elementarschule zur Hand gehen und ihn auch vertreten. Herder ging zum Studium nach Königsberg. Kant, der große Aufklärer, wird sein Lehrer. Von da aus geht er als Hilfslehrer an die Domschule nach Riga. Zwanzig Jahre war er da alt, und als Hilfslehrer verdiente er sich den Unterhalt, um Theologie studieren zu können. Riga war eine Stadtrepublik, die sich damals unter dem russischen Adler selbst verwaltete. Herder fühlte sich in seinen demokratischen Überzeugungen bestätigt. Es gab ein interessantes, kulturelles Leben. Herder verkehrte nicht nur in der deutschen Kolonie, sondern nahm an den Festen der lettischen Bevölkerung teil und verkehrte mit Polen und Russen. Er lebte Offenheit und vertiefte in der Auseinandersetzung mit den anderen Kulturen sein Verhältnis zur deutschen Sprache und Kultur. Schon ein Jahr später machte er sein erstes theologisches Examen, ich möchte wissen, wie er das geschafft hat, denn es wird ihm nachgesagt, dass er mit großem Erfolg Naturkunde, Mathematik, Geschichte, Französisch und Deutsch unterrichtete. Hier in Riga formuliert Herder sein Erziehungsziel: zur Selbständigkeit will er erziehen, das finden wir in unserem baden-württembergischen Bildungsplan von 2004 so wieder. Dabei geht es ihm um die Fragen: Was bin ich – und was soll ich in der Welt? Ein hoher Anspruch und einer, der auf lebenslanges Lernen zielt.

Der ideale Erzieher ist für ihn der, der mit Anmut, Weisheit und Lust human unterrichtet – und das soll er selbst auch gekonnt haben. In den neunziger Jahren ist es von Hentig, der die Schule „neu“ denkt und fragt: „Was ist eine humane Schule?“. Es ist von Hentig, der fordert: Die Schule muss philosophisch werden. Und es ist derselbe, der für unseren neuen Bildungsplan die Einführung schrieb. Das finde ich phantastisch!

Aber ich will nicht abschweifen. Kinder sollen „gereizt“ werden, etwas zu lernen, meint Herder, nicht gezwungen. Dieses Wort „gereizt“ lasse ich mir auf der Zunge zergehen, weil es zum Kern in Peter Petersens Auffassung einer pädagogischen Situation wird. Petersen formuliert 1937 sinngemäß: Die pädagogische Situation ist ein „Lebenskreis“ von einem Pädagogen um Kinder oder Jugendliche, dieser Kreis wird von der Lehrerin oder den Freizeitpädagogen so geordnet, dass jeder im Raum, Kind und Erzieher, „gereizt, genötigt, aus sich heraus getrieben“ werden, als ganze Personen zu handeln. Petersen hat übrigens nur selten Quellen angegeben. Ich bin froh, dass ich in der Vorbereitung meiner Rede wieder einmal gefunden haben, bei wem er abkupferte – schöpfte, sollte ich vielleicht besser sagen. Petersen erwähne ich, weil ich seine Ideen einer humanen Schule in den achtziger Jahren in vielen Jenaplan-Schulen in den Niederlanden und auch in Nordrhein-Westfalen umgesetzt gefunden habe. Jenaplanschulen sind solche Schulen, die nach Petersens reformpädagogischem Ansatz arbeiten, zu dessen wichtigstem Kennzeichen Offenheit für die Menschen der jeweiligen Schulgemeinschaft gehört.

Ich war damals sehr beeindruck, wie selbständig Kinder arbeiten können und dann im Kreis die Ergebnisse präsentierten. In diesen Schulen habe auch ich viel gelernt und mich gern beeinflussen lassen. Sicher hänge mich nicht zu weit aus dem Fenster, wenn ich behaupte, Petersen ließ sich von Herder ebenso inspirieren wie von Reformpädagogen seiner Zeit.

Zurück zu Herder. Er ist gegen alles Pauken, Unterricht, so fordert er, soll von der Anschauung ausgehen und der Lehrer durch Vorbild und Tat wirken. Er ist auch gegen jede einengende Etikette: so weigert er sich zum Beispiel, eine Perücke in der Schule zu tragen.

Amtsführung

Viele Gedanken macht Herder sich darüber, wie er das Amt, das ihm übertragen wurde, führen will. In einem Brief an seinen Lehrer Kant führt er das aus. Er hofft, schreibt er, immer von sich sagen zu können, es ging ihm nicht um Bequemlichkeit, nicht um Rangstellen oder „Goldgruben“, das sind nicht seine Beweggründe. Ihm geht es darum „ein Wort zu pflanzen, das menschliche Seelen glücklich machen könne“. Er will ein „würdiger Lehrer der Menschheit werden“, dabei will er nicht belehren, er will „mit der Sprache seines Herzens“ Anteil an den Menschen nehmen. Letzteres erscheint mir ein lohnenswertes Ziel.

Wenn ich jetzt also Schulleiterin der Herderschule sein darf, so gibt mir Herder selbst eine gute Richtschnur für mein Denken und Handeln: in den Worten „Licht-Leben-Liebe“ auf die ich schon einging, steckt ein ganzes pädagogisches Konzept.An Anna Essinger möchte ich noch mal erinnern: „Lernen-Lachen-Lieben-Leben“. Ich ergänze für mich und für die Herderschule: Loben und Leisten. Wenn wir, die wir hier zusammen arbeiten und Lebenszeit verbringen – und damit meine ich auch die Kinder und ihre Eltern – wenn wir miteinander lachen und feiern, wenn wir Leistung lobend anerkennen und liebevoll miteinander und uns selbst umgehen, dann ist es lebendig und licht an unserer Schule.

Ich erlaube mir einen letzten Satz: Nach vier Monaten Herderschule kann ich heute sagen: leicht habe ich es bisher nicht immer gefunden, licht und lebendig aber wohl.

Sehr herzlich möchte ich mich an dieser Stelle für Ihr und Euer Kommen bedanken. Ganz besonders möchte ich mich auch bei all denen bedanken, die zur Vorbereitung des Festes beigetragen haben und auch beim Abbau und Aufräumen wieder helfen werden. Und nun möchte ich Sie alle einladen in die Mensa, da wird es liebevoll Zubereitetes und Leckeres geben.

Margarete Teuscher

Schulleiterin der Herderschule Esslingen, 13. Januar 2010

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